Erfahrungsberichte Trier

16.04.2022

Reisebericht: Alex in Trier

“Wieder neigt sich eine unheimlich schöne Care & Travel Reise dem Ende zu und ich sitze im Zug, während ich die Woche Revue passieren lasse. Nach meiner sehr spontanen Entscheidung, die Gunst der Stunde zu nutzen, um nach meinem Staatsexamen und zwei langen Jahren voller Corona-Einschränkungen in unser Partnerpflegeheim nach Trier zu reisen, gab das Team der Vereinigten Hospitien und unsere tolle Lokalgruppe in Trier sofort alles, um den Aufenthalt so schön wie möglich zu machen.

Am Dienstag gegen Abend erreichte ich meine neue Wahlheimat für diese Woche. Am Pflegeheim angekommen bekam ich von Herrn Schaffrath, dem Ehrenamtskoordinator, direkt einen herzlichen Empfang und eine Führung mit interessanten historischen Anekdoten zum Gelände und der Geschichte der von Napoleon gegründeten Vereinigten Hospitien. Da derzeit leider keine Gästebetten dort zur Verfügung standen, machte ich mich ein bisschen müde, aber auch sehr glücklich auf zu meiner Unterkunft für die Nacht:
Trotz der sehr spontanen Anfrage und obwohl sie selbst gerade auf Reise war, bereitete mir Alina von der Lokalgruppe aus Trier ein wunderbares Bett in ihrer WG und ich hatte noch sehr Spaß beim gemeinsamen Singen und einem Gläschen Wein mit ihren lieben Mitbewohnerinnen Clara und Miriam. Ganz vielen Dank nochmal und liebe Grüße an der Stelle!

Der nächste Morgen war mein erster im Seniorenheim selbst und ich durfte das begeisternd liebevolle Team von Betreuer:innen und Pfleger:innen kennenlernen, die sich in der kurzen Vorbereitungszeit schon viel für mich überlegt hatten. Da ich erzählt hatte, dass ich sehr gerne Musik mache, wurde spontan das erste Frühlingskonzert auf der Terrasse organisiert. Während die Bewohner:innen auf ihre Logenplätze gefahren wurden, spielte ich ein bisschen am Klavier, um die netten Senior:innen um mich herum beim Zusammenlegen ihrer Klamotten zu unterhalten. Als alle versammelt waren, spielte ich mein leider Recht kleines Repertoire an alten Volksliedern wobei die versammelte Menge jedes Wort voller Leidenschaft mitsang wie Teenager auf einem Justin Bieber Konzert. Nachdem ich schnell mit meinem Volkslied-Latein am Ende war, wurde der Ghettoblaster ausgepackt und ich konnte mir durch eine Symphonie aus YouTube und den engelsgleichen Stimmen der Bewohner:innen ein paar weitere Klassiker wie 'Tulpen aus Amsterdam' aneignen. Zum Abschluss des gemeinsamen Musizierens spielte ich noch ein paar meiner eigenen Lieder, die ich auf vergangenen Care & Travel Reisen geschrieben hatte und bekam selbst feuchte Augen und Gänsehaut, als ich das ein oder andere Tränchen auf den Wangen der Bewohner:innen und Pfleger:innen rollen sah.

Hungrig vom vielen Singen galt es danach, das von den Köch:innen bereitete Festmahl zu genießen, um sich für weitere Abenteuer zu stärken. Diese bestanden an diesem Nachmittag aus einem ausgedehnten Rollstuhl-Spaziergang mit einem der herzensguten Bewohner, welcher mir von seinen Erlebnissen als Polizist erzählte und weitere Weisheiten mit mir teilte, während wir unter der blühenden Blütenpracht des großen Anwesens den Frühlingsduft genossen.

Danach kamen einige Mitglieder der Lokalgruppe vorbei, um ihre weit über 500(!) gebastelten Osterkarten und Briefe für die Bewohner:innen abzugeben. Das geschafft, gingen wir gemeinsam ein leckeres Eis in der strahlenden Sonne genießen, während ich von den ortskundigen Gruppenmitgliedern der Lokalgruppe und Marcella (die aus Trier stammende Projektleiterin von Care & Travel) eine Stadtführung bekam. Das war für mich besonders schön, weil ich endlich meine Care & Travel Freunde aus Trier kennenlernen konnte, die ich über die Corona-Zeit schon in vielen Zoom-Meetings gesehen hatte, aber nun zum ersten Mal persönlich traf. Nachdem wir die Porta Nigra, den Dom, die Mariensäule und viele weitere schöne Orte bewundert hatten, fuhren wir zu meinem Zuhause für den Rest der Woche: zu Marcellas Eltern. Und hier fühle ich mich von Anfang an genau so: Zuhause.
Marcellas Eltern waren von Anfang an so offen, zuvorkommend und liebevoll, dass ich gar nicht anders konnte, als über die Woche auch sie und ihre Heimatstadt lieben zu lernen. Sei es bei Gesprächen über Religion, Politik, Familie oder einfach über das alltägliche Leben in Trier...Es war immer schön in der Diskussion mit ihnen meinen Horizont zu erweitern.

Am nächsten Tag durfte ich eine ganz besondere Frau kennenlernen: Eine Dichterin, die mit Mitte 70 schon zehn Enkel und vier Urenkel zu den Ihren zählen kann und vor Kreativität und Lebensfreude nur so sprüht. Wir teilten Gedichte, Geschichten und Lieder und ich wusste schon nach den ersten fünf Minuten unserer gemeinsamen Zeit, dass ich eine Seelenverwandte gefunden hatte. Obwohl sie wegen vielen Verletzungen und einer schweren Lungenkrankheit nicht laufen kann, hält sie nichts davon ab, sich mit ihrem Elektrorollstuhl in die Abenteuer und Wunder ihrer Stadt zu stürzen und darüber hinaus in ihren Texten und Träumen durch die Welt zu tanzen. Sie verarbeitet ihre Erfahrungen und Gedanken in ihrer Kunst, schreibt ein Theaterstück, welches sie mit ihren Mit-Bewohner:innen aufführen will und passt die Rollen immer wieder neu an, wenn ihre Darsteller Fähigkeiten verlieren oder auf die Große Bühne im Himmel wechseln. Sie kümmert sich um ihre Mitmenschen, sei es in ihrer Familie oder im Pflegeheim und gibt alles, um durch ihr Beispiel auch andere auf einen Weg von Lebensliebe und Lebensfreude zu führen. So folge auch ich ihr nach: meiner Freundin Antonia.

Nach weiteren schönen Begegnungen erkundete ich mit Marcella und ihrer Schulfreundin Judith die kulinarischen Genüsse Triers, stöberte durch allerlei Läden in der Innenstadt und lernte die schönen Mattheiser Weiher um Trier kennen. Ich freue mich schon darauf, wenn ich Judith bei unserem Care & Travel Bergkirchweih Wochenende in Erlangen wieder sehe und wir dort gemeinsam mit den Bewohner:innen aus dem Marienhospital mit einer schönen Maß Steinbachbräu anstoßen können 😊🍻

Nun war also der Tag des Abschieds gekommen und Marcella und ich freuten uns darauf, ein weiteres ganz besonderes Bewohner-Pärchen kennenzulernen, und auf eine Führung durch deren Gemälde die wir schon die Tage zuvor bewundern konnten. Die Trauer über die nun nicht mögliche Begegnung war groß, als der Störgeist der aktuellen Zeit dazwischen grätschte: Die nette Dame hatte - bisher und hoffentlich auch weiterhin bei guter Gesundheit - einen positiven Corona-Test. Wir mussten also einsehen, dass wir sie doch nicht in ihrer Wohnung besuchen konnten, sodass wir weiter gingen, um vielleicht anderen Bewohner:innen ein Lächeln bringen zu können. Bei einem Spaziergang um das Gelände entdeckten wir jedoch den kleinen Garten/ die Terrasse vor der Wohnung der beiden, sodass die Gitarre doch nochmal auspackt wurde und wir in guter alter Corona-Manier ein Terrassen-Konzert spielten und mit sicherem Abstand gemeinsam sangen.

So ging eine wunderschöne Woche zu Ende und ich bin wieder voller neuer Freude und Begeisterung für das Projekt. Mit den vielen inspirierenden und beeindruckend liebevollen Menschen, die ich auf meiner Reise kennenlernen durfte - im und außerhalb des Pflegeheimes - kann ich mich nur bei allen für die unglaublich schöne Zeit bedanken und jedem raten, auch eine Reise mit Care & Travel zu wagen - Ich würde es jederzeit wieder tun."

Alex in Trier